Das Ende der Siesta? – oder doch nicht ?

Die Rolläden sind dicht, die Straßen leer und die Geschäfte geschlossen. Zwischen 14.00 und 17.00 Uhr scheinen die spanischen Städte wie ausgestorben. Für Touristen ist das oft unverständlich, für die Einheimischen hingegen lang gelebte Tradition: Die Siesta.
Die Spanier nutzen die dreistündige Pause um sich auszuruhen, Kraft zu sammeln und um zu schlafen. Gerade im Sommer, wenn die Temperaturen bei 40° C liegen, bietet sich das an.
Wissenschaftler aus der ganzen Welt haben schon längst die Vorzüge der mittäglichen Ruhestunden erkannt. Sie sind gesundheitsfördernd und steigern darüber hinaus die Effektivität bei der Arbeit. Doch immer mehr Einheimische müssen auf ihre Erholung verzichten.
In Großstädten haben die Supermärkte mittlerweile durchgehend geöffnet. Großbetriebe oder Fabriken haben flexible Arbeitszeiten und nehmen keine Rücksicht mehr auf die bisherigen Gewohnheiten der Spanier. Nur ca. 20 Prozent der spanischen Bevölkerung nutzt noch die Zeit, um ein Nickerchen zu machen.
Doch bald sollen sich die Iberer ganz von ihrer Siesta verabschieden. Einer Expertenkommission aus Wissenschaftlern, Politikern, Unternehmern und Gewerkschaften schwebt vor, die Arbeitszeiten an die anderer europäischer Länder anzupassen. Laut des Gremiums ist die lange Pause in jeder Hinsicht ein Nachteil. Die Arbeitseffektivität sinke und damit auch die Wettbewerbsfähigkeit.
Spanien ist eines der unproduktivsten Länder. Bei den südlichen Arbeitszeiten (von 9.00 bis 14.00 und 17.00 bis 20.00 Uhr), die sich wegen der Siesta nach hinten verschieben, kommt auch das Familienleben zu kurz. Im Vergleich zum restlichen Europa schlafen die Spanier ca. 40 Minuten weniger pro Tag. Man steht zwar später auf, geht dafür aber auch spät zu Bett.
Alles Humbug? Wer die Siesta und somit die Tradition ehrt, sollte doch auch genügend ausgeruht sein. Schon der Schriftsteller Camillo José Cela bezeichnete die Siesta als eine iberische Form des Joga. Wo Spanien gerade über die Abschaffung der Siesta nachdenkt, sind andere Länder gerade erst auf den Geschmack gekommen. In Amerika wurden beispielsweise so genannte Nap rooms (Nickerchen-Räume) eingerichtet. Studien in amerikanischen Unternehmen haben ergeben, dass Mittagsschläfchen die Aufmerksamkeit, das Denkvermögen und die Produktivität der Mitarbeiter steigern. Seit es diese Räume gibt, ist auch der Kaffeekonsum enorm zurückgegangen. Also: Ein Hoch auf die Siesta!


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